Auf ewig verbunden |
Teilnahmslos
strich Windwhisper durch ein Bündel rot gefärbter Blätter, die über
ihr im Wind tanzten. Sie lang rücklings auf einem breiten Ast hoch
oben in einem Baum schon seit die Sonne den Himmel verlassen hatte.
Ihre Füße hatten sie weit vom Hain weg getragen, doch es war ihr recht.
Ja, es war ihr sehr recht, dann musste sie nicht dieses verdammte
Geturtel von Nimoe und Wolftrace mitbekommen! Ihre Augen hefteten
sich an das dunkle Firmament über ihr, kein Stern war zu sehen, nicht
einmal der Mond, denn der Himmel war über und über mit Wolken bedeckt.
Der Wind frischte immer mehr auf, aber auch das war Windwhisper sehr
recht. Sollte der Wind sie doch mitnehmen. Nimoë würde es gar nicht
bemerken! Sie schob ihre Unterlippe vor, schnaubte leise, wahrscheinlich
würde der Anführerin noch nicht einmal jetzt auffallen, dass sie sich
davon gestohlen hatte! Leise
vor sich hinfluchend folgte Nimoë der unübersehbaren Spur, die Windwhisper
hinterlassen hatte. Der immer schärfer werdende Wind schien ihren
aufsteigenden Zorn nur noch mehr zu schüren. Wie konnte ihre Freundin
nur so leichtsinnig sein. Alleine das Lager verlassen und dann auch
noch so eine deutliche Spur zu hinterlassen. Was war nur wieder in
sie gefahren? So
gut es ging versuchte die Anführerin die Spuren, die Windwhisper zurückgelassen
hatte zu verwischen. Die Elfe konnte sich ganz schön was von ihr anhören,
wenn sie sie zwischen die Finger bekäme.
Plötzlich
blieb sie stehen und horchte auf. Sie gebot ihrer Wölfin inne zu halten
und spähte durch das sich beugende Geäst nach oben und da war sie.
**Windwhisper!
** sendete sie scharf und formell zu ihr hinauf. Vor
Schreck wäre Windwhisper beinahe vom Ast gekippt, gerade noch rechtzeitig
hielt sie sich fest. Ungläubig blickte sie unter sich und sah den
silberfarbenen Schopf mit den rosa Strähnen und zwei böse grüne Augen.
Also hatte sie doch nach ihr gesucht! Ein schnippisches Senden kam
an Nimoë zurück **Was suchst du denn hier? Solltest du nicht bei Wolftrace
sein?** Windwhisper verschränkte die Arme und bewegte sich keinen
Zentimeter, es war ihr egal, wie sauer die Anführerin sein mochte.
Noch nie hatte sie sich so übergangen gefühlt, nicht von Nimoë! Von
ihr aus, konnte Nimoë gleich wieder gehen, und zwar zurück zu Wolftrace! **Das
sollte ich lieber DICH fragen! Einfach wegzugehen und so eine offensichtliche
Spur zu hinterlassen. Hältst du das für klug? Und jetzt komm sofort
da runter, dass ich von Angesicht zu Angesicht mit dir reden kann!**
forderte Nimoë deutlich. Der
Wind pfiff inzwischen scharf durch das Geäst und zerrte deutlich an
den Haaren und der Kleidung der beiden Elfinnen.
Die
Anführerin knurrte missmutig. Darum ging es also. Wolftrace ... Doch
Windwhisper rümpfte nur die Nase und bewegte sich sonst gar nicht.
**Ein Wunder, dass du überhaupt gemerkt hast, dass ich weg bin und
dich von Wolftrace loseisen konntest! Ich bin gerührt!** Erneut gab
sie eine zornige Antwort zurück. **Und wenn du reden willst, dann
komm doch hoch!** Sie streckte dem Wind ihr Gesicht zu, der ihre Haare
zurück riss und ihr wild ins Gesicht blies, doch es juckte die junge
Elfe nicht. Das
ließ sich Nimoë nicht zweimal sagen. Dem Wetter zum Trotz kletterte
sie flink den Baum hinauf. Windwhisper würde sich schon noch umsehen.
**Herrlich,
wie du dich in deiner Eifersucht verrennst. Aber denkt vielleicht
trotzdem mal nach! Schlägst hier Schneisen wie ein wildgewordener
Eber und bringst dich und alle anderen in Gefahr. Das ist nicht die
Windwhisper die ich kenne.** sendete sie dabei in ernstem Ton, bis
sie die Elfe erreicht hatte und sie direkt ansprach. "Das mit
Wolftrace und mir sollte keine solchen Auswirkungen auf UNS haben!" „Ach
nein? Aber es hat ganz deutliche!“ schrie Windwhisper Nimoë nun mit
flammenden Augen entgegen. „Ich bin nicht eifersüchtig! Aber du hast
ja nur noch Augen für ihn! Außerdem wollte ich euch nicht in eurem
Gefiedel stören, also bin ich gegangen!“ versuchte sie sich zu rechtfertigen
und biss die Zähne aufeinander. Ein paar Tropfen fielen auf sie hinab,
ihre Augen schweiften zum Himmel, als dieser von einem Blitz hell
erleuchtet wurde, worauf ein dunkles Grollen folgte … "Das
klären wir im Lager!" erwiderte Nimoë einfach. "Der Sturm
wird schlimmer. Komm jetzt!"
Auffordernd
hielt sie Windwhisper die Hand entgegen. Sie würde ihr alles erklären,
wenn sie im Lager waren. Ja, sie hatte sich nun mal in Wolftrace verliebt
... und er sich in sie. Es schmerzte sie schon etwas, daß Windwhisper
ihr das auf diese Weise versagte.
Ein
weiterer heller Blitz zuckte über den beiden hinweg, erhellte für
einen kurzen Moment die Dunkelheit und das etwas zwiespältige Gesicht
Nimoë’s - zwischen Wut und Enttäuschung und Schuld. "Komm
jetzt!" forderte sie erneut auf. Aufgebracht
schluckte Windwhisper das bestimmte Schuldgefühl hinunter, das in
ihr aufglomm, als sie Nimoë’s gefühlsbetontes Gesicht sah, doch ihre
Hand nahm sie trotzdem nicht. Sie konnte ihre Gefühle nicht ändern,
sie verstand sie ja noch nicht einmal selber … Gedankenverloren sprang
sie den Baum hinab auf den Boden, kam dort sicher an und wartete auf
Nimoë. Wie sollte sie ihr erklären, wie sie sich wirklich fühlte oder
was der Grund für ihr Verhalten war, wenn sie es selbst nicht wusste? Sofort
sprang Nimoë Windwhisper nach. Sie wollte nur noch in den Hain zurück
und ein langes Gespräch mit ihr und vielleicht auch Wolftrace führen.
Kaum
hatte sie den Boden berührt, grollte und blitzte es erneut und das
Himmelfeuer schlug krachend in den Baum ein, auf dem die beiden eben
noch gesessen hatten. Nimoë’s
Augen wurden größer, als sie sah, wie ein in Flammen stehender Ast
auf sie herabstürzte. In einer reflexartigen Bewegung stieß sie Windwhisper
weg, kam aber selbst nicht schnell genug aus der Bahn.
Der
Anführerin entfuhr ein Schmerzensschrei, als sie von etwas Schwerem
zu Boden geschlagen wurde. Langsam wurde ihr schwarz vor Augen. Durch
Nimoë’s Schubsen wurde Windwhisper zur Seite geschleudert und fand
sich auf dem Boden wieder. Panik machte sich sofort in ihr breit,
da genau vor ihrer Nase Feuer loderte und Nimoë war nicht wie erwartet
neben ihr! Entsetzt kam die junge Späherin wieder auf ihre Füße. „Nimoë!“
Sie stürzte zu der Elfe, die regungslos unter dem brennendem Ast lag,
versuchte sie verzweifelt darunter hervorzuziehen, doch der Ast war
schwer und er brannte! Windwhisper dachte nicht nach, als sie das
brennende Holz erfasste und es zur Seite warf, sie dachte nicht über
den Schmerz in ihren Handflächen nach, als sie zu Nimoë auf den Boden
stürzte, ihren Kittel über sie warf, um das Feuer, das vom Ast auf
sie übergegriffen hatte, zu ersticken. Sie dachte nicht nach, als
sie Erde aus dem Boden wühlte, um das Feuer noch zusätzlich zu löschen,
sie tat es einfach. Ihre Instinkte, ihr Wesen leiteten sie. Keuchend
riss sie den verkohlten Stoff von Nimoë’s Körper und nahm diese in
ihren Arm. Sie war verletzt! Oh ihr Hohen, die Brandwunden hätten
doch gereicht, doch ihr Kopf blutete! **Sirs! Komm, schnell! Lass
dich vom Wind hierher tragen, sonst fürchte ich um das Leben unserer
Anführerin!** sandte Windwhisper an ihre Schwester, eine Woge von
Gefühlen und Bildern würden die Heilerin erreichen. Tränen
hatten sich schon längst ihren Weg aus den blauen Augen über die Wangen
der Elfe gebannt. **Bitte, Nimoë, bitte, öffne deine Augen!** Dumpf
hörte Nimoë die Rufe Windwhisper’s, verstand jedoch kein Wort davon.
Alles klang so weit weg. Aber daß sie mit ihr sprach, hieß, sie lebte
... Mühsam tastete sie empor zu Whindwhisper’s Gesicht
und lächelte, als sie es berührte. "Du ... bist unverletzt?"
brach sie stimmlos hervor. In
diesem Moment brach Windwhisper’s Welt zusammen, sie schmiegte ihr
Gesicht in Nimoë’s Hand. „Das ist alles meine Schuld! Verzeih mir,
bitte!“ schluchzte sie, schlang vorsichtig ihre Arme um Nimoë, ließ
ihren Tränen freien Lauf, wenn Himmelsstern nicht bald kam, was sollte
sie tun? Sie besah sich Nimoë’s Wunde, ergriff ihren Dolch und schnitt
sich das halbe Hosenbein ab, um es vorsichtig um Nimoë’s Kopf zu binden,
es musste aufhören zu bluten! **Ich wollte nicht ... ich wollte das
nicht. Ich … Ich dachte nur, du brauchst mich nicht mehr, wenn … wenn
du Wolftrace hast. Nimoë … ich …** Sie hielt inne, strich der Elfe
übers Gesicht und senkte ihr Gesicht zu deren Ohren. „… liebe dich
…“ Langsam
glitt Nimoë’s Hand aus dem Griff der Späherin, auch der Rest des noch
verkrampften Körpers entspannte sich auf eine beunruhigende Weise.
Nimoë’s Gedanken verfinsterten sich, als würde man eine schwere Decke
darüber legen. Eine beängstigende Kälte ergriff sie. Tonlos bewegte
sie die Lippen, schien den Namen Windwhisper’s zu formen. „Oh
ihr Hohen, wieso tut ihr mir das an? Wieso?“ Die Tränen liefen weiter
über die Wange der Elfe, ihr Rufen schallte ungehört durch den Wald.
Windwhisper vergrub ihr Gesicht an Nimoë’s Schulter, hielt ihre Hände
fest in ihren eigenen. **Gib nicht auf, Nimoë. Bitte. Ich brauche
dich, der Stamm braucht dich.** Sie rief nach ihr, die ganze Zeit,
die Sekunden zogen sich dahin, die Minuten strichen davon. All die
Verzweiflung, die Angst, drückte Windwhisper’s Herz eng zusammen,
sodass es bald zerspringen müsste … Wenn Himmelsstern nicht rechtzeitig
kommen würde, was dann? Die Emotionen wirbelten in ihrem Kopf auf,
bis sich ein zaghaftes Senden an Nimoë durchdrängte **Nimm meinen
Namen, Liebste. Ich bin Jelara** Sie strich mit ihren Händen über
Nimoë’s Gesicht. **Lass ihn dir Kraft geben** Eine
kleine Truppe von Elfen folgte der Heilerin, die ihre Wölfin erbarmungslos
antrieb und die anderen daher bald abgehängt hatte. Himmelsstern spürte
es, sie spürte die Schmerzen ihrer Schwester, die Unruhe trieb sie
voran, sie mussten schneller reiten! Bald hörte sie auch das Schluchzen,
das der Wind zu ihr trug, und dann sah sie sie, sah ihre Schwester
auf dem Boden mit ihrer Freundin in den Armen. Ihr Herz zog sich zusammen
bei diesem Anblick, sie sprang von ihrer Wölfin, stürzte zu den zwei
Elfen. **Ich bin hier, Jelara. Ich bin hier** Ein schnelles Senden,
das ihre Schwester beruhigen sollte, als sie ihre Hände an Nimoë’s
Kopf legte, die Augen schloss und begann das Gewebe wieder zusammen
zu fügen. Windwhisper ließ Nimoë nicht los, rief immer wieder nach
ihr, suchte sie, konnte sie nicht erreichen, diese Verzweiflung, das
Nichts-tun-können machte sie wahnsinnig, doch ihre Schwester ließ
Hoffnung in ihr aufglimmen. Sie registrierte die anderen Elfen gar
nicht, bemerkte nicht wie Wolftrace dazu kam, sie sah nichts mehr
außer Nimoë’s Gesicht vor sich. Was
nach der Heilung passierte, wusste sie auch nicht mehr. Die Elfen
mussten sich förmlich von Nimoë weg reißen! Sitar nahm Windwhisper
in den Arm und brachte sie auf seinem Wolf zurück ins Lager. Verstört
flüsterte seine Schwester immer wieder den Namen der Anführerin …“Nimoë
…“ Windwhisper griff sich mit einer Hand an den Kopf und blinzelte.
„NIMOË!“ Ruckartig richtete sie sich auf. Eine Angst ergriff ihr Herz,
Entsetzen machte sich in ihrem Gesicht breit … Nein, sie durfte nicht
…
Langsam
glomm Licht in der Dunkelheit um Nimoë’s Geist auf. Etwas in der Dunkelheit
hatte ihr stetig den Weg gezeigt. Ein Laut, ein Name und endlich fand
sie aus der Dunkelheit heraus, geführt von diesem Namen
- Jelara. Langsam öffnete die Anführerin die Augen. Jelara
... Sie richtete sich auf. Jelara. Sie musste sie suchen. Vergessen
war der Streit, das Unglück, all das, was zwischen ihr und dem Namen
gestanden hatte, der Windwhisper’s Gesicht trug. Sie sah sich um,
blickte Windwhisper in die ängstlichen Augen. Ein sanftes Lächeln
zog sich über ihre Züge, als sie die Elfe in die Arme schloss, die
ihr plötzlich so vertraut war, wie sie selbst. Den leichten Schmerz
in ihrer Brust bemerkte sie nicht unter der Freude, die sie verspürte.
**Jona
.... Jelara ... ich bin Jona.** sendete sie voller Vertrauen. |
Nimoë & Windwhisper (c) 11.2003 |